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HOW WILL WE LIVE, PROFESSOR WIPPERMANN?

Von Despina Borelidis

INTERVIEW MIT EINEM ZUKUNFTSFORSCHER

 

Wie geht es weiter? Wie wird die Corona-Krise unsere Gesellschaft verändern? Welchen Impact hat das Virus auf unseren Lifestyle und Konsum? Welche Rolle wird die Technologie in Zukunft spielen? Welche Werte, die wir aus der jetzigen Phase gewinnen, werden wir fortführen, welche vergessen? All diese Fragen und viele weitere haben wir Professor Peter Wippermann gestellt, Trendforscher und Gründer vom Trendbüro. Hier kommen seine Insights!

 

Professor Wippermann, Ihre Einschätzung ist aktuell bestimmt sehr gefragt!

Ja, natürlich. Alle fragen sich: Wie geht es weiter?

 

Ja, wie geht es denn weiter? Denken wir an Social Distancing. Meinen Sie, die Gesellschaft wird in Zukunft enger zusammenrücken oder sich an den jetzigen Zustand gewöhnen?

Nun, da gibt es zwei Überlegungen: Die eine Gruppe sagt, die Menschen würden „umkehren“. Dass wir eine Gesellschaft sein werden, die auf digitale Interaktion verzichten wird. Ich gehöre zur anderen Gruppe: Wir sehen ja aktuell, dass Technologien, die sich schon die ganze Zeit entwickelt haben, plötzlich sehr relevant geworden sind. Nehmen wir Video Conferencing. Ich meine, die physische Nähe ist nicht als so entscheidend anzusehen, wie sie es vor der Krise war. Diejenigen, die das lernen und die das effektiv anwenden, werden gestärkt aus der Krise hervorgehen. Ob das im Job ist, in der Schule, beim Yoga, beim mentalen oder auch beim Krafttraining. Der nächste technologische Sprung steht bevor. 

Werden die Menschen achtsamer sein und bewusster leben?

Zunächst einmal wird es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht von heute auf morgen vorbei sein. Bedauerlicherweise wird uns Corona noch lange begleiten. Werden wir bewusster leben? Es ist so, dass Gesundheit – und das war auch schon vor der Krise schon so – der wichtigste Wert der Deutschen ist. Wir haben eine Studie namens Werte-Index. Seit zehn Jahren untersuchen wir, was in den sozialen Medien passiert: Und ganz klar auf Platz 1 steht die Gesundheit. Das wird auch nach Corona so bleiben. 

Gesundheit bedeutet nicht nur die Abwesenheit von Krankheit: Gesundheit bedeutet, flexibel zu sein, leistungsfähig zu sein, sich neu orientieren zu können – auch in noch nie zuvor dagewesenen Situationen. Und letzten Endes bedeutet Gesundheit natürlich auch, attraktiv, schön und jugendlich zu sein. 

 

 

Was kommt als nächstes?

Die Konzentration auf den eigenen Körper und auf die Willensstärke wird noch stärker werden. Das nächste große Ding wird der Fokus auf die mentale Stärke sein. Wie geht man denn eigentlich mit dem Virus und der Krise um?

Schauen Sie, man kann allein am Wasserverbrauch in Hamburg feststellen, dass er am Morgen um zwei Stunden verlagert wurde – von 7 Uhr auf 9 Uhr: Die Hamburger stehen einfach später auf und duschen auch später. Das macht auch deutlich, dass ihnen noch nicht klar ist, wie sie ihren Tag strukturieren sollen. Da ist man schnell beim Thema Selbstorganisation und ja – bei der mentalen Stärke angelangt.

Man sieht deutlich, dass der plötzliche Stillstand eine große Herausforderung – eigentlich für alle – ist. Die Menschen müssen einen neuen Rhythmus und Rituale für sich finden und Befriedigung am Tag, obwohl sie keine festen Strukturen haben. Sie müssen an sich arbeiten – unter anderem auch, indem sie darauf achten, dass ihre Muskeln nicht zu sehr abbauen. 

 

Sagt das nicht auch etwas über unsere eigentliche Natur aus und über die vielleicht lästige Fremdbestimmung? Immerhin stehen wir schon mal später auf.

Naja, es ist als hätte man permanent Wochenende. Das ist etwas, was durchaus auch ein bisschen befremdlich ist, denn Anspannung und Entspannung gehören eigentlich zusammen. Im Moment haben wir zu viel Entspannung und suchen Anspannung. Das sieht man am Verbrauch von Puzzeln, von Hanteln und von Videospielen: Die Leute wollen sich nicht langweilen. Sie wollen etwas tun! Sie können es entweder durch Konzentrationsübungen erreichen – dazu würde ich auch Puzzles und Videospiele rechnen – oder durch Körpertraining.

Ich habe auch den Eindruck, viele Menschen möchten jetzt Dinge lernen, die sie vorher nicht konnten. Meditieren beispielsweise. Stimmt dieser Eindruck?

Ja, durchaus. Zu Yoga und Meditation fällt mir ein: Die Idee, eine innere Balance zu finden – und das als Aufgabe zu sehen oder das zu trainieren – ist etwas, was sich verstärkt und notwendig ist, wenn man nicht von außen eine bestimmte Art von Regulierung hat. Fremdbestimmung ist uns insofern sehr vertraut, weil wir immer dagegen protestiert haben. In dem Moment, wo Fremdbestimmung Freiraum auf Dauer bedeutet, ist es eher eine Herausforderung.

Was denken Sie: Wie wird sich die post-coronale Gesellschaft verhalten? Was wird sie leiten?

Zunächst einmal werden wir natürlich total glücklich sein, wenn wir wieder rausgehen und machen können, was wir wollen, uns umarmen bis dieser Mangel endlich wieder befriedigt ist. Wunderbar. Aber:

In dem Moment, in dem wir erkennen werden, dass wir nicht mehr zurückkehren können in eine Welt vor Corona, in dem wir wissen, dass wir uns neu orientieren müssen, dass wir neue Wege finden müssen, werden neue Spannungen in der Gesellschaft entstehen. Ich meine, die Gesellschaft wird tatsächlich eher leistungsorientiert sein. Sie wird sich polarisieren. Es wird noch stärker eine Diskussion geben zwischen Jungen und Älteren. Aus meiner Sicht wird es auch eine deutliche Repolitisierung in der Gesellschaft geben. Leitfragen werden sein: Was machen wir eigentlich? Wohin wollen wir? Lifestyle ist etwas, was nicht mehr ausreichen wird. Die Frage nach dem ‘Warum’ wird sicher sehr viel wichtiger werden – warum wir einen bestimmten Lifestyle pflegen oder warum wir ihn verfolgen.

 

Wie steht es in Zukunft um die menschlichen Bande? Um Nähe? Wird die Technologie eine immer größere Rolle spielen oder werden wir uns mehr in der realen Welt begegnen wollen?

Wenn Sie ein bisschen zurückblicken, dann war es schon vor der Krise so: Es war ganz schwer, dem Blick aufs Smartphone zu widerstehen. Selbst offensichtlich verliebte Paare hatten das Smartphone griffbereit und man hat es durchaus toleriert, wenn der Partner oder die Partnerin plötzlich im virtuellen Raum verschwunden war. 

Diese jetzige Situation – „Menschen meiden“, wie Frau Merkel das gesagt hat – bedeutet natürlich eine völlig surreale Situation: Wir sind soziale Wesen, wir brauchen einander! Aber hier muss man sich eingestehen, dass uns die Technologie schon entfremdet hat: Die virtuelle Nähe reicht verstärkt für viele Beziehungen aus – auch für Beziehungen, die sehr intensiv sind. 

Das macht vor allen Dingen eines ganz deutlich: die Hoheit über die eigene Zeit. In dem Moment, in dem Sie räumlich jemanden treffen, binden Sie sich mit Ihrer Zeit. In dem Moment, in dem Sie virtuell aktiv sind, haben Sie eine Quantifizierung der Möglichkeiten: Sie können mehr machen und haben dadurch mehr oberflächliche Beziehungen zu vielen Menschen, als sehr enge Beziehungen zu einzelnen Menschen, mit denen sie sich auch räumlich verabreden.

 

Was schätzen Sie: Welche Rolle werden Fitness-Boutiquen wie Urban Heroes in Zukunft einnehmen?


Ich habe vor nicht allzu langer Zeit eine Studie im Bereich Fitness durchgeführt. Sie ließ klar erkennen: Ein Trend ist – und das wird er auch weiterhin sein – die soziale Dimension der Fitness-Community. Sie ist extrem wichtig. Menschen zu finden, die die Welt ähnlich beurteilen und ähnlich an sich arbeiten – dieser Community-Gedanke ersetzt das Gesellschaftliche: Man möchte Gleichgesinnte treffen, sie finden und natürlich, letzten Endes, sie auch lieben.

 

Glauben Sie, die Gesellschaft wird in Zukunft solidarischer sein? 

Es wird ein riesiger Wunsch sein, dass Thema „Wir“ plötzlich leben zu können. Und es wird ein Wunsch bleiben. Wir können im Moment ja schon sehen: Wir haben einen sehr starken Staat, der für uns entscheidet, der Regeln aufstellt. Wir sehen auch, dass es eine große Zustimmung dafür gibt, fremdbestimmt zu sein, um in der Krise Orientierung zu haben. Wir können auch erkennen, dass die Parteien, die für Solidarität stehen, geringe Zuwächse haben werden. Das traditionelle Angebot wird sehr viel mehr von Corona profitieren.

Ich glaube, dass die Phase der Solidargesellschaft eher auf einer Metaebene zu sehen ist. Es ist notwendig, dass der Staat den Unternehmen hilft, Arbeitsplätze sichert, kleinen Selbstständigen –  auch in der Lifestyle- und Musikbranche – hilft, um die Gesellschaft einigermaßen stabil zu halten. Das ist aber etwas anderes als die Solidarität untereinander, bei der man sich gegenseitig hilft. Und es ist natürlich auch leicht zu verstehen, denn in dem Moment, in dem es heißt, “Menschen meiden”, ist es doch schwieriger zu klingeln und zu sagen „Wir kaufen für dich mit ein.“

 

Es wird viele Scheidungen geben, heißt es. Und auch einen Baby-Boom.

Ja, die Wahrscheinlichkeit, dass wir einen Kinder-Boom kriegen, ist sehr hoch. Man weiß das aus der Vergangenheit – aus einem konkreten Fall in Nordrhein-Westfalen: Die Elektrizität brach zusammen und neun Monate später war der Baby-Boom die konkrete Folge. Was die Scheidungsrate angeht, so macht die jetzige Zeit auch deutlich: Diejenigen, die zwar zusammen, aber nebeneinander herleben, werden es schwer haben, das fortzuschreiben, wenn man sich wieder neu orientieren kann. Diejenigen, die sowieso Lust aufeinander haben, werden das auch umsetzen.

 

Wird Corona unser Konsumverhalten neu definieren? Welche Gewinner und Verlierer zeichnen sich aktuell ab?

Interessanterweise erleben gerade die Supermärkte, die Drogerien und Baumärkte einen Boom! Im Bereich Mode gibt es dagegen einen dramatischen Rückgang, im Reisesegment sowieso. Das Interessante im Bereich Fashion ist – das weiß eine Studie aus den USA  – dass die Menschen, wenn sie online Mode einkaufen, Hemden, Blusen – generell Oberteile – einkaufen, nicht aber Hosen oder Röcke. Der Grund? Im Homeoffice wird die Präsenz nur im Oberteil gesucht, nicht aber in dem Moment, in dem man aufstehen würde. Das finde ich interessant, denn Mode und „präsent sein“ gehören in der realen Welt zusammen. Dagegen wird Mode aber jetzt, beim Rückzug in die eigene Wohnung, plötzlich völlig anders interpretiert. Das hat mittlerweile durchaus auch den Lifestyle verändert.

 

Meinen Sie, die aktuelle Situation wird auch einen weiteren Impact auf unsere Ernährungsweise haben? 

Ich glaube, das Thema Ernährung ist durch. Wir können sagen, dass die Generation Y die Art und Weise, wie wir uns ernähren, auf jeden Fall verändert hat. In den Großstädten mehr als auf dem Land. Schon ein Blick in die Supermärkte von Aldi und Lidl macht deutlich: Auch hier ist das Thema Gesundheit, Regionalität, vegetarisch und vegan angekommen. Die Gesellschaft hat sich da geändert, das wird sich auch weiter fortsetzen, aber nicht mehr so dramatisch. Was ich glaube – und ich denke auch, beim Thema Ernährung ist es mittlerweile jedem klar geworden: Es gibt eine Polarisierung zwischen denjenigen, die sich das leisten können und denjenigen, die sich das nicht leisten können. 

 

Wie schätzen Sie die Entwicklungen in der Volkswirtschaft ein: Werden nur die großen Unternehmen überleben? Was wird aus den kleinen und mittleren?

Man sieht es ja im Moment: Der Sharing-Gedanke leidet extrem. Die Kleinen werden eine Zeit brauchen, um sich wieder zu berappeln oder sich neu zu konfigurieren und neue Finanzquellen aufzutun. Wir werden auf der einen Seite einen bedauerlichen Zusammenbruch eines Teils des Mittelstandes haben. Wir werden auch sicherlich viele Start-ups haben, die es nicht schaffen werden oder einen Restart machen können. Natürlich werden die Großen letzten Endes gewinnen: Sie haben die Finanzkraft.

 

Wird es eine Hyperinflation geben?

Das wird man versuchen, zu verhindern. Klar ist aber, dass wir Steuerzahler bezahlen werden, was die Politik im Moment ausgibt.

 

Wie wird das unser Leben verändern?

Wie Sie wissen, habe ich eine bestimmte Position dazu. Ich glaube, dass die Spannungen in der Gesellschaft zunehmen werden.

 

Wird Bargeld abgeschafft?

Das ist eine sehr interessante Frage. Tatsächlich haben wir in Deutschland eine Aversion gegen digitales Geld. Ganz anders als Skandinavien oder Holland, haben wir immer gesagt: “Wir müssen unser Papier und unsere Münzen behalten”. Dadurch, dass man jetzt weiß, dass Digitalisierung eben auch Distanz schafft, ist digitales Geld aktuell sehr viel populärer geworden. Und das wird sicherlich nicht verschwinden. Früher lief Online-Banking eher über den Laptop oder den Computer. Heute können wir schon sagen, dass 37 Prozent der Deutschen ihr Online-Banking übers Handy machen. Das hat sich dramatisch beschleunigt. Sobald man dann gewohnt ist, Finanzen übers Handy abzuwickeln, sind auch Apple Pay und weitere Anbieter nicht mehr weit weg.

Was glauben Sie, wie schnell werden wir das alles vergessen?

Wir werden uns bedauerlicherweise noch eine ganze Weile mit Corona beschäftigen müssen. Das Dramatische ist ja, dass wir keine Gegenmittel haben und dass wir noch nicht Schutzimpfungen machen können. Soweit mir bekannt ist, rechnet man damit, dass das Problem nicht im Laufe des Jahres gelöst wird. Die wirkliche Lösung des Problems gibt es noch nicht. Daran arbeiten extrem viele Menschen – Gott sei Dank. Ich bin sicher, dass die Lösung kommen wird. Aber das Problem ist eigentlich, dass der Virus wellenartig in der Gesellschaft bleiben wird. Es ist ein globales Problem.

Wenn man sonst meinte, dass bestimmte Erkältungskrankheiten in Ländern mit kühlem Klima verschwinden, sobald es Sommer wird, so muss man nun sagen: Es ist eben auch präsent in ohnehin warmen Ländern. Wenn Sie nach Indien schauen, erkennen Sie, welche Dramatik dahintersteckt: Es sind fast militärische Ausnahmezustände verhängt worden, um 1,3 Milliarden Menschen in den Häusern zu halten. Wir haben eine ganz ungewöhnliche Situation. Eine Dauerpräsenz. Wir müssen lernen, damit umzugehen und entlang der Ergebnisse – ich nenne es: voranzustolpern.

Schaffen Sie es selbst noch, optimistisch zu sein? Was tun Sie für Ihre mentale Stärke?

Ich glaube schon. Ich habe eine Zeit gebraucht, um tatsächlich meinen eigenen Rhythmus zu finden. Inzwischen fange ich meinen Tag auf der Faszienmatte an. Ich mache leichte Übungen, gehe dann auf den Balkon, setze mich in die Sonne und trinke meinen Tee. Ich habe eine bestimmte Herangehensweise, um mich fit zu halten, mich zu entspannen und den Tag auch zu genießen.

 

Ist das eine neue Tugend, zu der Corona Sie gebracht hat?

Nein, das ist die Notwendigkeit, die Corona gebracht hat. Ich glaube, ich muss darauf achten, dass ich fit bleibe. Das war früher etwas, was ich dann eher aufs Wochenende verschoben oder mal übersprungen habe. Diese Selbstorganisation oder Selbstdisziplin finde ich, ist das Interessante: Sie fällt nicht leicht, ist aber notwendig und wird letzten Endes auch belohnt.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Professor Wippermann.

 

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