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HIIT MY CYCLE!

Von Despina Borelidis

WANN DU MIT LEISTUNGS-PEAKS RECHNEN KANNST

 

Vergangene Woche hast du Sprints auf 18 km/h hingelegt – diese Woche schleichst du auf Beginner-Level. Dafür ist dir die schwerste Hantel nicht schwer genug. Du schwingst die 12er-Kettlebell locker und präzise. Warum ist das so? Wir haben Dr. Soens gefragt – Triathletin, Marathonläuferin und Fachärztin für Gynäkologie: Ist unsere HIIT-Performance Zyklus-basiert? Wann ist Double Floor die Antwort? Sind Crunches während der Periode okay? Kann ein Sprint Krämpfe lösen? Aber vor allem: Wann setzt unser Körper die meiste Energie für HIIT frei? 🚀

Dr. Soens, hängt die sportliche Performance einer Frau von ihrem Zyklus ab?

In gewisser Weise schon, denn der Hormonhaushalt verändert sich stark. Frauen, die natürlich verhüten, spüren die hormonellen Schwankungen und haben viel mehr Gefühl für ihren Körper – somit auch dafür, wann welcher Sport in welcher Intensität für sie angemessen ist. 

Welche Hormone sind denn die Hauptakteure und welchen Einfluss haben sie?

Hauptsächlich Östrogen und Progesteron. Die Hormonspiegel steigen und fallen dauernd. Diese Schwankungen beeinflussen die Aktivität und auch die Muskulatur im Körper einer Frau. Es gibt Phasen, in denen viel Östrogen gebildet wird, was auf die Muskulatur ähnlich wirkt, wie beim Mann das Testosteron: Es sorgt dafür, dass die Muskulatur besser auf Trainingsreize reagiert. In diesen Phasen hat man einfach mehr Power und Energie in den Muskeln.

Welche Phasen hat der weibliche Zyklus und wie beeinflussen sie die sportliche Performance?

Der Zyklus hat vier Phasen – folgende hormonelle Schwankungen gelten dabei nur für Frauen, die nicht hormonell verhüten: Die erste Phase ist die Menstruationsphase und dauert vier bis fünf Tage. Da ist das Östrogen gerade abgefallen – ebenso ist das Progesteron am Tiefpunkt. Zu dieser Phase sind Frauen sportlich eher weniger leistungsbereit. Danach beginnt aber die Follikelphase.

Was macht die Follikelphase aus? Macht sie leistungsfähiger?

In dieser Phase wird das follikelstimulierende Hormon (FSH) massiv ausgeschüttet! In den Eierstöcken bilden sich Follikel, die wiederum Östrogen produzieren. Das FSH steigt dann zunehmend an bis es zum Eisprung, der Ovulation, kommt. Das Östrogen, unser Power-Hormon, steigt ebenfalls an. Frauen werden in dieser Phase definitiv aktiver und leistungsfähiger. Die Muskulatur spricht in dieser Phase besonders auf das Training an und Leistungs-Peaks sind auch bei intensiven Trainings wie HIIT vorprogrammiert!

Welchen Effekt hat die darauffolgende Ovulationsphase? 

Eine bedeutende! Aber leider ist sie nur von kurzer Dauer: Die Ovulationsphase dauert gerade 24 bis 48 Stunden an. Hier steigt das Energielevel aber nochmal an! Die Hirnanhangdrüse schüttet das luteinisierende Hormon (LH) aus – das bewirkt den Eisprung. Das Östrogen geht parallel aufs Maximum, ebenso wie das FSH.

Wenn ich mir eine Phase für High-Performance aussuchen würde, dann genau diese. Jetzt sind Frauen am leistungsfähigsten!

 

Wie kann ich diesen Zeitraum exakt berechnen?

Bei einem konstanten Zyklus von 28 Tagen ist der Eisprung genau in der Mitte – also am 14. Zyklustag. Die High-Performance-Tage liegen also kurz davor – zwischen dem 10. und 14. Zyklustag. In dieser Phase sind durchaus schnellere Sprints und schwerere Hanteln drin!

Was passiert ab dem Eisprung und wie wirkt diese Phase auf das Leistungsniveau?

Nach dem Eisprung geht es wieder rapide abwärts. Das Östrogen fällt stark ab. Die Lutealphase beginnt. Was sie mitbringt, sind steigende Progesteron-Level. Das Progesteron, ein Gestagen, hat aufbauende Effekte – es wirkt positiv auf die Nerven-, Knochen-, Hautgesundheit und mehr. Zum Ende dieser Phase beginnen die ersten prämenstruellen Beschwerden. Hier kann es sein, dass das Leistungsniveau deutlich abfällt – das muss es aber nicht: Jede Frau ist für ihren Körper unterschiedlich sensibilisiert. Es kann also auch sein, dass ein intensives HIIT-Workout die richtige Antwort auf eine anstrengende PMS-Phase ist.

Sollten sich denn Frauen während ihrer Regel besser schonen oder trainieren?

Auch hier ist es abhängig vom eigenen Körpergefühl. Die einen haben kaum Regelschmerzen und nur leichte Blutungen – das beeinflusst die Leistung kaum. Es gibt Studien, die belegen, dass die Periode keinen Einfluss auf das Leistungsniveau hat. Beispielsweise wurde bei einer Gruppe von Tennisspielerinnen festgestellt, dass ihre Aufschlagsgeschwindigkeiten gleichbleibend hoch waren. Es hat also oftmals mit dem eigenen Befinden zu tun. Ich rate aber dennoch Frauen, die stärkere Beschwerden haben – und das sind leider die meisten – eher zu moderatem Training: leichtere Gewichte – dafür mehr Wiederholungen – und lockere Ausdauerläufe. Ein moderates HIIT-Workout kann sogar lindernd wirken. Sind die Schmerzen allerdings so stark, dass die Lebensqualität zunehmend leidet, empfehle ich eine ärztliche Untersuchung. Bei einer Diagnose wie Endometriose ist es dann besser, die Pille durchgängig zu nehmen.

Okay. Wie sieht es mit gezieltem Core-Training während der Periode aus: Go oder No?

Ich rate Frauen, die Bauch- und Rückenschmerzen haben dazu, besser andere Körperpartien zu beanspruchen – beispielsweise auf Butt & Legs-Workouts auszuweichen oder gezielt den Oberkörper zu trainieren. Auch lockere Läufe können krampflösend wirken.

Wenn der Hormonhaushalt das Leistungsniveau beeinflussen kann, könnte auch Sport den Hormonhaushalt verändern?

Ja, definitiv! Die meisten Leistungssportlerinnen haben in der Tat gar keine Periodenblutung mehr. Da ist das Stresshormon-Level so hoch, dass die Geschlechtshormone unterdrückt werden. Ich rate jeder Sportlerin, auf einen regelmäßigen Zyklus zu achten und aufmerksam zu werden, sollte die Regelblutung nur noch alle paar Monate oder gar nicht mehr passieren. Dann hat sie gegebenenfalls zu viel trainiert, sich zu schlecht ernährt oder sogar zu wenig gegessen. Zu dieser Situation sollte es am besten gar nicht erst kommen.

Kann denn Sport im Gegenzug auch dafĂĽr sorgen, dass sich der Zyklus normalisiert?

 

Ja, sicher. Ich denke dabei an übergewichtige Patientinnen und an Patientinnen mit metabolischen Syndrom. Hier ist Sport unerlässlich – in Kombination mit gynäkologischer Beratung und gegebenenfalls medikamentöser Behandlung.

Vielen Dank fĂĽrs Interview, Dr. Soens!

 

Dr. med Soens ist eine wahre Superwoman! Seit 2007 ist sie praktizierende Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe in Hamburg – zunächst im Albertinen Krankenhaus – seit 2011 in der Praxisklinik Winterhude. Sie hat soweit alle Tauchscheine zusammen. Zwei Triathlons zieren ihre Wettkampfliste. Sie ist den Hamburg Marathon gelaufen und auch mehrere Halbmarathons in weiser Vorbereitung darauf. Obendrauf ist sie dreifache Mutter!